Homing – Ich mach mir eine kleine Welt

homingJuchhu, ich bin nicht allein. Es gibt auch noch andere, die gern daheim sind. Früher hätte man Stubenhocker dazu gesagt, heute ist es eine neue Lebenseinstellung und nennt sich „homing“. Klingt doch gleich viel netter und nicht so … zurückgeblieben. Eine Welt, in der man schon nicht mehr hinschauen mag oder kann, weil eine Katastrophe die andere jagt: Plastikmüll in den Meeren, Massentierhaltung, Menschenrechtsverletzungen, Artensterben, Hunger, Fracking, Umweltverschmutzung, Klimaerwärmung, nur um mal die gröbsten zu nennen, macht Angst. Angst, dass wir das alles nicht mehr in den Griff bekommen werden, Angst, dass wir Menschen mit der Verwaltung der uns anvertrauten Erde kläglich versagt haben und dass uns dieser Job gerade so ziemlich aus den Rudern läuft.

Wir verlieren die Kontrolle und sehnen uns nach einer Welt, die wieder überschaubar wird und in der alles, in ruhigen Bahnen seine Kreise zieht, beginnen immer mehr Menschen sich ihren eigenen Kosmos zu schaffen. Eine Welt, die reduziert auf das Notwendige ist, die mehr auf das „miteinander was machen“ konzentriert ist, auf den Austausch von Kommunikation und mitmenschlicher Nähe und nicht mehr auf das Anhäufen von Einrichtungsgegenständen und Plunder, der nur Verwaltungsarbeit macht und uns von Beziehungen fern hält.

Ich denke mir so, dass vielleicht diese Art zu ticken, die Grundlage des Minimalismus ist, der Wunsch nach Kontrolle in einer nicht kontrollierbaren Welt. Aufgewachsen in einer ländlichen Umgebung, in der über Jahre hinweg alles gleich war, die gleichen Kühe, die allabendlich in den Stall getrieben wurden und dabei mit ihren Hinterlassenschaften die Straße in einen grünen Sumpf verwandelten, die gleichen Autos, die jährlich wiederkehrenden Maiandachten, die Menschen, deren Ankunft in der Welt Tagesgespräch waren, ebenso wie die, die wir in gesetztem Alter würdevoll verabschiedeten – ich habe ich diese Überschaubarkeit bis zur Langeweile genossen und wollte mal was anderes sehen. Nun bin ich woanders und es ist schon längst der Punkt erreicht, an dem es der Abwechslung einfach mal zu viel ist. Zu viele Menschen, zu viele Autos, zu viel Lärm, zu viel Anonymität, zu viel Kaufen, zu viel Essen …

Ein interessanter Film dazu:
http://info.arte.tv/de/homing-yourope-allein-zuhaus


foto: Living room | © 3darcastudi – fotolia.com

 

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