„Ich bin ein Perfektionist“ sagen manche Menschen von sich selber, halb stolz, halb entschuldigend. Perfektionist zu sein und sich dabei am Anspruch alles „perfekt = richtig“ machen zu wollen, ist eine Eigenschaft, die adelt. Weil sie im Extremfall über die eigenen Bedürfnisse gesetzt wird und den Menschen zum Opfer des eigenen Anspruchs an Perfektion macht, weil ihm die Perfektion wichtiger ist, als sein Selbst.
Auf Instagram bewundere ich Bilder japanischer Kolleginnen und Kollegen. Sie zeichnen Bilder von der Größe eines Mammuts, über und über mit Mustern besät, die nicht nur schön sind, sondern auch eine Fleißarbeit, die ihresgleichen sucht. Perfektion in Vollendung.
Ich weiß nicht, was diese Künstler im Einzelnen antreibt, ich weiß nur, dass Perfektion auch Entspannung heißen kann und nicht immer etwas Negatives sein muss. Wenn ich beim Zeichnen jedem einzelnen Strich volle Aufmerksamkeit schenke, wenn ich konzentriert und überlegt an eine Sache herangehe und mich dadurch so tief in mein Werk versenke, dass ich ganz im Hier und Jetzt bin und alles andere runderherum still wird. Dabei wird es mehr und mehr egal, ob ich nun ein großes Bild oder ein kleines male. Versenkt in den Augenblick verschwindet jeder Gedanke daran, was war und was sein wird.
Viele kennen die perfekt angelegten, japanischen Gärten, insbsondere die Steingärten, bei denen es manchmal so scheint, als wäre dort jedes einzelne Sandkorn bewusst platziert worden. Würde man so etwas lediglich nachmachen wollen, ohne den tieferen Sinn zu begreifen, wäre es wohl eine kaum zu bewältigende und vermutlich wenig befriedigende Arbeit.
Aus der inneren Haltung heraus „auf dem Weg zu sein“ verliert die Leistungsmesslatte jedoch an Höhe. Weil es immer weniger wichtig wird, wie viel ich am Ende „gearbeitet“ habe, kann Perfektion, so gesehen, durchaus Quelle für Entspannung statt Stress sein.